Mein Weg zur Musik: Charlotte Balle

Charlotte Balle als Kind am Flügel

Wer sich als Kind wünscht, Geige spielen zu lernen, weiß in der Regel nicht, was das bedeutet. Abhängig von Lehrerin oder Lehrer, von der eigenen Idee oder Vorstellung, geprägt vom Elternhaus oder schlichtweg das Talent sind ausschlaggebend dafür, wie man sich auf dem Instrument entwickelt. Was war es bei der ersten Geigerin der Ladystrings Charlotte Balle?

Das Ziel findet sich mit dem Weg

Als ich geboren wurde, studierten meine Eltern noch: meine Mutter Blockflöte, mein Vater Medizin. Unser Leben zu dritt war sehr bescheiden und einfach. Obwohl kaum Geld vorhanden waren, schummelten sich meine Eltern bei jeder Gelegenheit in Konzerte oder Opern. Sie kamen aus Familien, in denen schon immer viel Musik gemacht  wurde. Meine Oma wollte eigentlich Geigerin werden, doch dann kam der Krieg dazwischen. Vater und Mutter hatten allerdings keine guten Erinnerungen an ihren Instrumentalunterricht und wollten, dass es bei ihren Kindern anders laufen sollte.

Als wir dann von München nach Berlin zogen – inzwischen hatte ich ein Brüderchen bekommen – wurde meinen Eltern ein Flügel aus dem Fundus einer Schule geschenkt. Es war ein wunderschöner alter Bechstein, in den ein Schüler "Elvis lebt" eingeritzt hatte. Lange fragte ich mich, wer wohl dieser Elvis ist, der anscheinend gestorben ist. Bis ich irgendwann seine Musik hörte und begeistert war.

Nun war für meine Eltern klar: Ihr Kind soll Klavier lernen. Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits die Geige meiner Großmutter gesehen und meinen Vater gefragt, welches das am schwersten zu erlernende Instrument sei. Seine Antwort: Die Geige. Die ungespielte Geige unter dem Bett meiner Großmutter tat mir Leid, und die Herausforderung, ein schweres Instrument zu lernen, weckte den Wunsch, dieses Instrument zu lernen. Doch meine Eltern waren der Ansicht, dass die Obermieter des Hauses nicht auch noch mit den Klängen einer Geige gequält werden könnten. So blieb es vorerst beim Klavier.

Vom Pflicht- zum Wunschinstrument

Einige Jahre später zogen wir von der kleinen hellhörigen Neubauwohnung in eine Altbauwohnung um. Ich hatte mit dem Klavierspiel begonnen und nach einem Jahr schon einen dritten Preis beim Steinway-Klavier-Wettbewerb gemacht. Aber richtig verbunden mit dem Instrument fühlte ich mich nicht. Ein Freund und Kollege meines Vaters wusste von meinem Wunsch, Geige zu lernen, und lud mich siebenjähriges Kind in ein Konzert von Anne-Sophie Mutter, den Berliner Philharmonikern und Herbert von Karajan ein. Sie spielten Mendelssohns Violinkonzert.

Das Kleid, das ich anziehen musste, kratzte und ich fühlte mich auch nicht wohl, ohne die Eltern in ein so tolles Konzert zu gehen. Dann begann es und es war Magie: Ich vergaß alles um mich herum. Es berührte mein Herz wie noch nichts anderes. Und ich wusste: Dies ist ein ganz besonderer Moment. Dieses Stück will ich auch einmal spielen!
Weshalb ich dann tatsächlich mit der Geige beginnen durfte, erinnere ich nicht. Aber ich durfte! Der Anfang war schrecklich. Meine erste Lehrerin muss mich für ziemlich unbegabt gehalten haben. Ich tat mich schwer, sauber zu spielen, den Bogen gerade zu führen, ich musste alles hundertmal wiederholen .... Dann übernahm mich ihr Ehemann. Und auf einmal ging es viel leichter.

Leider zerstritten sich meine Eltern mit dem Geiger-Ehepaar und ich wechselte zu einer Geigerin der Berliner Philharmoniker. Dort lernte ich Genauigkeit und ich merkte, wie ich tatsächlich schneller lernte. Mir wurde bewusst, dass ich Musikerin werden möchte. Ich konnte mir nichts anderes vorstellen, als mich jeden Tag mit Musik zu beschäftigen. Mit Orchestern tat ich mich schwer, war ich doch lieber in kleinen Gruppen oder als Einzelgängerin unterwegs. Ich liebte die Solo-Sonaten und -Partiten von Bach und das Duo-Spiel mit meinem Bruder, manchmal begleitet am Klavier von unserem Vater.

Eine Herzensangelegenheit

Dann kam das Studium: Das erste Mal berührte mich das Spielen im Orchester. Aber noch lieber machte ich Kammermusik. Wir hatten in Lübeck den wundervollen Walter Levin, der projektweise zum Unterrichten kam. Bei kaum einem anderen Lehrer habe ich so viel gelernt, wie bei ihm. Und damit stand für mich fest: Kammermusik ist die Form von Musik, in der ich mich wohl fühle.

Dadurch, dass mir kaum etwas einfach zugeflogen ist, habe ich mich intensiv beschäftigt mit dem "wie funktioniert etwas warum" und "wie lerne und übe ich das". Dieses Wissen und meine Begeisterung für die Musik versuche ich jetzt an meine Schüler weiterzugeben.