Ein typischer Tourtag oder eine Reise ins Ungewisse

15. Dezember 2016 - 15:53 editoR_ls
Die Ladystrings: Mit dem Jaguar auf Tour durch Deutschland

Für 22 Vorstellungen an 17 Orten zu viert unterwegs zu sein ist spannend: Was müssen wir mitnehmen? Wie reisen wir? Was passiert unterwegs? Welche Hotels beziehen wir und wie viel Zeit bleibt uns, diese zu genießen? Und schließlich: Wie sieht die Vorbereitung aus für die Vorstellung am Abend? Was passiert hinterher, wenn die Anspannung abfällt?

Der Morgen

Dresden, Schlosshotel Pillnitz: Morgens um 8 Uhr treffen sich Charlotte Balle und Lisa Barry zum Joggen an der Elbe, Dorothea Galler geht in den Swimming-Pool, Maria Friedrich schläft etwas länger und beginnt den Tag in ihrem geräumigen Zimmer mit Pilates. Mit Bewegung in den Tag zu starten, ist für uns Ladystrings wichtig und ein guter Ausgleich für die langen Fahrten.

Wir treffen uns, jede auf ihre Weise erfrischt, zum Frühstück. Kurze Zeit später trifft Miroslav Nemec ein, wie immer gut gelaunt und zum Plaudern aufgelegt. Das reichhaltige Angebot des Frühstücksbuffets ist jeden Tag eine Herausforderung. Die Kellner sind hier äußerst hilfsbereit und bringen zum Glück auch Sonderwünsche an den Platz, zum Beispiel "Das Beste von der Milch lactosefrei" für Maria. Während des Frühstücks besprechen wir die Abfahrt: Wann treffen wir uns am Auto zum Verladen, welche Koffer und Instrumente fahren in welchem der drei Fahrzeuge von Jaguar mit, wer fährt und wer meldet sich freiwillig für den unbequemen Mittelsitz?

Mit Geduld und Packerfahrung bei kleinen Kofferräumen starten wir die Reise zum nächsten Ort. Udo Wachtveitl schaut ins Auto, das bis zur Decke bepackt ist und fragt, ob noch ein lauschiges Plätzchen für ihn vorhanden sei. Charmant, wie er stets ist, winkt er uns hinterher.

Besprechung im Auto

Im Auto besprechen wir das, was am vorigen Abend gewesen ist. Lief die Vorstellung glatt oder gab es Unsicherheiten, die wir verbessern können? Haben alle Textstellenübergänge und Tempi geklappt? Wie war die Stimmung im Publikum? Eine von uns stellt fest, dass unsere Engelsflügel bewundert wurden, die andere, dass wir beim Schlussapplaus ein extra "Bravo" bekommen haben. Die Nebelmaschine hatte besonders viel Wasserdampf, und das Bühnenlicht war ziemlich stark, so dass wir uns gegenseitig nur schemenhaft sehen konnten. Die Glockenschläge, die Lisa öfter spielen muss, saßen alle und klangen voll und rund, und Charlotte war mit ihrem Solo zufrieden. (Das erklingt, wenn Ebenezer Scrooge seine Verwandlung durchmacht. Es ist sehr hoch und fast unangenehm in den Ohren, was hier beabsichtigt ist.) Bei Textänderungen durch die Protagonisten passen wir die Musik an und besprechen, was beim heutigen Soundcheck zu üben ist.

Der Mittag

Die lange Fahrt füllen wir auch mit Besprechungen über neue Konzerte und Programme im nächsten Jahr oder mit der Diskussion über neue Musiktitel. Landauf, landab gibt es lustige Ortsnamen, die uns wiederum auf kuriose Ideen bringen. Diese werden teilweise in Form von Whatsapp-Nachrichten und über andere soziale Medien geteilt. Die Musik, die wir unterwegs anhören, ist vielseitig: Norah Jones, Georg Kreisler, Ella Fitzgerald, Roger Cicero oder The Puppini Sisters. Alles andere als klassische Quartettmusik!

Der Abend

Nach 600 Kilometern Fahrt im neuen Hotel eingetroffen, bleibt gerade Zeit, um die Zimmer zu beziehen, das wunderbare Hotel kurz zu bewundern, die Bühnenkleider aus dem Koffer zu nehmen und diese für den Abend zusammenzupacken. Schon geht's weiter zum Theater: Die Techniker haben unseren Soundcheck vorbereitet, der immer gleich abläuft. Wir verkabeln unsere Instrumente mit den Mikrofonen, nehmen auf unseren Podesten Platz, spielen jede einzeln ein paar Töne und dann gemeinsam ein Stück, um den Gesamtklang zu testen. Mit Miro und Udo prüfen wir die Wort-Ton-Balance und besprechen Neuerungen.

Danach bleibt eine Pause von 30 bis 45 Minuten, die wir in unserer Garderobe verbringen. Wir können vom Catering essen und mit den Kollegen plaudern, wir ziehen uns um und schminken uns für die Bühne. Bevor wir diese betreten, legen wir die Engelsflügel über unsere schwarze Kleidung. Zehn Minuten vor Vorstellungsbeginn treffen wir uns auf der Bühne bei geschlossenem Vorhang, wünschen uns viel Spaß und beziehen Position. Durch den geschlossenen Vorhang hören wir das laute Gemurmel des Publikums. Wenn das Saallicht erlischt, gibt uns die Lichttechnikerin ein Zeichen für den Beginn: Ralf Zeranski schlägt die Triangel, Dorothea beginnt auswendig mitten auf der Bühne stehend ihren Part, der Vorhang öffnet sich …, und schon weicht die Aufregung einer freudigen Konzentration. Während der Vorstellung, in der wir immer wieder Pausen haben und nicht spielen, ist es interessant, dem Text zu lauschen und stets neue Nuancen zu entdecken. Die Schauspieler variieren ihren Text ebenso wie wir unsere gespielten Töne, die nicht jeden Tag gleich klingen. Unser Zusammenspiel im Ensemble und das Aufeinander-Reagieren verbessern sich täglich und machen jeden Abend zu einer neu erlebten Vorstellung.

Nach zwei Stunden Konzentration ist unser gemeinsamer Abend auf der Bühne zu Ende, der Applaus brandet auf, die Applausordnung nimmt ihren Lauf und der Vorhang fällt zum letzten Mal. Wir packen nicht nur unsere Instrumente ein, sondern ebenso die diversen Schlagwerke Triangel, Gong und Glocke sowie – sehr sorgsam – die Engelsflügel.

Beim anschließenden Abendessen sitzen wir in einer geselligen Runde von zehn Personen zusammen: zwei Schauspieler, fünf Musiker, zwei Techniker und der Produzent. Miro und Udo erzählen in einem fort: Egal ob Witze oder der ein oder andere Schwank aus ihrem Leben, es ist ungeheuer unterhaltsam. Die Tatsache, dass wir zusammen auf der Bühne ein Team sind, verbindet uns alle. Dies überträgt sich auch auf den geselligen Teil des Beisammenseins. Es ist eine Begegnung auf Augenhöhe und überaus angenehm. Mit viel Gelächter – denn der Humor verbindet uns ebenfalls – lassen wir den langen Tourtag fröhlich ausklingen. Morgen geht’s weiter!